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[Test] NEO: The World Ends With You


Calvin Rimpel

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Stattliche 14 Jahre ist nun her, dass ein kleiner Titel aus der kreativen Feder der Kingdom Hearts Schöpfer auf dem Nintendo DS das Licht der Welt erblickte. Nun erscheint mit NEO: The Worlds Ends With You überraschenderweise das Sequel auf der PS4. Kann es an den Charme des alten Kulthits anknüpfen oder geht es doch im Revival- und Nostalgieeinerlei unter?

 

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NEO eröffnet mit unserem Protagonisten „Rin“, von seinem Freund liebevoll „Rinbro“ genannt und es wird sofort klar: Wir befinden uns in der Welt von The World Ends With You. Wörter wie „Bro“ und „Dude“ fliegen einem nur so um die Ohren, als gäbe es sie im Dutzend billiger und der außergewöhnliche Kleidungsstil der beiden Figuren erinnert absolut an das Original. Von großen Baggys und Kapuzenjacken über tief ausgeschnittene V-Necks, die mit einem Scarf kombiniert werden bis hin zu abgedrehten modischen Accessoires – willkommen im modernen Shibuya oder zumindest der abgefahrenen Videospielversion.

 

Sonderlich lang können wir die Eindrücke allerdings nicht genießen, denn schon bald legt sich ein gewaltiger roter Schleier über die sonst so flimmernde Lichtmetropole und wie aus dem nichts kämpfen unbekannte Personen mit garstigen Monstern, die ihnen scheinbar den Gar ausmachen möchten. Rin und Fret nehmen daraufhin verständlicherweise ihre Beine in die Hand. In klassischer Anime-Manier wird Fret allerdings von einem LKW geplättet und alles scheint verloren, bevor Rin realisiert, dass es sich um eine Vision handelt und er dem traurigen Schicksal von der Klinge springen kann.

 

Gesagt, getan doch mit aufatmen ist nicht, denn die beiden Freunde sind nun beide scheinbar Teil des sogenannten „Reaper-Games“ und müssen fortan gegen die verschiedensten Ungeheuer bestehen, um nicht ausgelöscht zu werden. Doch warum sind unsere beiden Charaktere Teil des Spiels? Sind sie wirklich gestorben? Und was hat es eigentlich mit dem ominösen Veranstalter auf sich? Es entbrennt ein Ränkespiel zwischen den verschiedenen teilnehmenden Fraktionen des „Reaper-Games“, allesamt verpackt in ein zwar unkonventionelles, aber absolut erfrischendes 2000er Sujet. Auch wenn die übergreifende Geschichte sicherlich nicht die Stärke von NEO ist, sind es die individuellen Figurenzeichnungen allemal. Insbesondere die quirligen Charaktere stechen umso stärker hervor und stehen ihrem Vorgänger in nichts nach.

 

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Apropos Vorgänger. Auch spielerisch muss sich das Sequel in keiner Weise hinter dem ersten Ableger verstecken. Allerdings wurde die Spielweise deutlich modernisiert. Während der erste Teil der Serie primär per Touchscreen gesteuert wurde, wartet Square Enix nun mit einigen Neuerungen auf.

 

Erneut rennt ihr durch eine mehr oder mindere offene Welt, um jedoch in Kämpfe verwickelt zu werden, müsst ihr zunächst per Knopfdruck das sogenannte „Noise“ hervorheben. In diesem phasenverschobenen Tokio verweist ein wabernder roter Nebel nicht nur auf die nächste monströse Keilerei, sondern auch Gedanken und Gefühle der umherlaufenden Stadtbewohner verflüchtigen sich an die Oberfläche.

 

Hierdurch werden, nicht unähnlich älteren Rollenspielen, NPC-Konversationen positiv genutzt, um der Welt einerseits Glaubwürdigkeit zu verleihen, selbst wenn die Gedankenblase manchmal nur davon handelt, welches Stück Kuchen der Banker auf dem Weg nach Hause einkaufen möchte. Anderseits erhaltet ihr ebenso Hinweise, die euch beispielsweise einen vorher versperrten Durchgang öffnen. Mehr noch, in sogenannten mentalen Invasionen könnt ihr sogar in die wirren, negativen Gefühle des Gegenübers eintauchen und mithilfe von Muskelschmalz ein wenig für Ordnung sorgen.

 

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Lauft ihr allerdings in eine der Roten Nebelschwaden, steht ein Kampf bevor. Dieser startet jedoch nicht sofort. Ihr könnt stattdessen mehrere „Noise“ sammeln, um eine sogenannte Kampfserie zu startet, in welcher nicht nur stärkere Gegner, sondern zugleich multiple Kämpfe hintereinander ausgetragen werden. Dies dient jedoch nicht nur dazu, um die persönliche Herausforderung zu erhöhen, sondern ist mit dem gesamten Belohnungssystem des Spiels – „Pins“ – eng verzahnt.

 

In der Welt von NEO dreht sich alles um diese unscheinbaren, runden Plastikknöpfe, die sich viele von uns früher an den Rucksack steckten. Ein Pin repräsentiert nämlich eine einzigartige vollkommen unterschiedliche Angriffsfertigkeit. Jedem Charakter können diese Pins völlig frei zugewiesen werden, um somit seine Kampfweise auf drastische Art und Weise zu verändern. Schraubt ihr dementsprechend an der Schwierigkeit rum, erwarten euch oftmals neue Pins.

 

Das eigentliche Action-Kampfsystem ist demgegenüber verhältnismäßig simpel und verdankt die Langlebigkeit einzig und allein der Vielfalt an Fähigkeiten. Wie bereits erwähnt, werden Pins den jeweiligen Charakteren zugewiesen und erfordern unterschiedliche Spielweisen. So könnt ihr unter anderem einen Feuersturm entfachen, der das kontinuierliche Drücken der Schultertaste erfordert, während das Abfeuern von Blitzkugeln etwa ein rapide wiederholendes Drücken verlangt. Jeder Angriff verfügt des Weiteren über eine gewisse Menge an Energie. Einmal aufgebraucht, müsst ihr eine kurze Verschnaufpause einlegen oder zu einem anderen Charakter wechseln.

 

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Dies gestaltet sich glücklicherweise denkbar einfach, denn ein kurzer Knopfdruck aktiviert die der Figur jeweilige zugeordnete Fähigkeit und die Kamera schwenkt in Windeseile herüber. Unglücklicherweise führt dies in Kämpfen gegen größere Monster oder andere Teilnehmer des „Reaper-Games“, die ebenfalls Fähigkeiten-Pins einsetzen, häufig zu einer Desorientierung und einem Treffer, dem ihr sonst wahrscheinlich ausgewichen wärt. Glücklicherweise besitzt ihr eine Team-Lebenspunkteleiste und diese lässt sich z.B. unter Zuhilfenahme von Heil-Pins wiederherstellen. Dreht ihr im Kampf buchstäblich auf, wird das Feature schließlich als „Aufdrehen“ beschrieben, indem ihr eure Gegner mit einem Hagelsturm aus Angriffen in Grund und Boden rammt, gibt es einen kurzen Boost für eure Truppe, was insbesondere bei den zahlreichen Bosskämpfen äußerst hilfreich ist.

 

Sind die Gegner hinüber, erhaltet ihr traditionell Erfahrung. Diese wird zum einen den eigentlichen Pins zuteil, da sie im Level aufsteigen, stärker werden und manchmal sogar vollkommen neue Pins freischalten können. Zum anderen klettert auch das Charakterlevel, allerdings erhöhen sich hierdurch nur die Lebenspunkte, während andere Werte wie Verteidigung oder Angriff in lokalen Restaurants gesteigert wird, sofern ihr euch nicht bereits kurz zuvor den Bauch vollgeschlagen habt und der Sättigungswert erreicht wurde.

 

Die Entscheidung einen Großteil des Kampfgeschehens an diese Pins zu binden, ist zugleich die größte Stärke als auch Schwäche des Titels. Wie bereits angesprochen, lässt das eigentliche Kampfgeschehen ein wenig Tiefgang vermissen, doch die Unmenge an Fähigkeiten, die in den 333 Pins zu finden sind, machen dies größtenteils wett. Selbstverständlich seid ihr nicht gezwungen, nach jedem Kampf die Pins zu wechseln, doch jeder neue Pin förderte meinen Entdeckerreiz etwas Neues auszuprobieren, was sich durch die verschiedenen elementaren Attribute, die den Angriffen zugeordnet und bei unterschiedlichen Feinden mehr oder weniger effektiv sind, nur noch verstärkte.

 

Die Kombination aus 333 freischaltbaren Pins, 277 Kleidungsstücken, 95 Gerichten sowie 51 Musikstücken drillen das „Gotta catch ’em all“-Gefühl unvermittelt stark in das Vorderstübchen. Gepaart mit dem sozialen Netzwerk, in dem die Erledigung kleiner Nebenaufgaben permanente Boni wie etwa das automatische Umwandeln von Geld-Pins in Währung verspricht, spornten mich an, auch den noch so verstecktesten NPC zu entdecken, um mein Freundesnetzwerk zu erweitern.

 

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Hinsichtlich der Präsentation schlägt NEO, so klingt es ja bereits im ersten Paragrafen an, einen sehr besonderen, einzigartigen und eigenwilligen Weg ein. Ähnlich wie sein Vorgänger bettet es sich abgrundtief in die Jugend- und Streetkultur der 2000er ein und weicht visuell nur an wenigen Stellen vom ersten Teil ab, was teilweise bereits anachronistische Züge annimmt, wenn Rin sein Smartphone rausholt uns hingegen ein Bild einer Ära vorgehalten wird, die bereits seit 15 Jahren vergangen ist. Graffiti, Baggies, Goth’s mit knallroten Lippen, aber dafür mit Katzenkostüm – alles wirkt wie ein Mischmasch aus modern und alt, das irgendwie nicht so recht zusammenpassen möchte.

 

Dies muss nicht zwangsläufig als inhärente Kritik aufgefasst werden und ist stark davon abhängig, inwiefern persönliche Nostalgie von einer im Spiel selbstverständlich stark überzeichneten Jugendkultur beeinflusst wird. Denn der eigentliche Stil, seien es etwa die wunderschönen Comic-Panels und Charakterzeichnungen, die sich mit einer dicken äußeren schwarzen Kontur vom Rest des Cellshadings abheben, die absurden Monsterdesigns oder die eindrucksvollen Animationen der verschiedenen Pins, alles in allem ist an NEO grafisch nicht viel auszusetzen.

 

Auch der Soundtrack erinnert an die Zeit von Skateboards und fragwürdigen Fashion Statements zurück. Nu Metal, Rap, Hardrock und alles abgerundet mit einer Prise Elektronik, „krasser“ könnte es nicht sein. Und auch hier trifft alt auf neu und will manchmal genauso wenig passen, wie die abgewrackte Hose, die sich in jüngeren Jahren einst problemlos zuknöpfen ließ und nun der etwas größeren Hüfte weichen muss.  

 

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Fazit:

Wenn ich NEO: The World Ends With You in einem Wort beschreiben müsste, dann wäre es wahrscheinlich: seltsam. In dieser Hinsicht steht es dem DS-Titel allerdings in nichts nach, denn auch er stach je nach persönlichem Spielempfinden entweder positiv oder negativ aus der Fülle an DS-JRPGS heraus.

 

Aber gerade aufgrund dieser Seltsamkeit habe ich meine Zeit in NEO bis auf das Äußerste genossen. Eine solch enorme Experimentierfreude, ausgehend von der Fülle an Pins, habe ich seit langem in keinem JRPG mehr verspürt. Dennoch ist es gerade das für ein JRPG ungewöhnliche Setting, was eine Unversalkaufempfehlung unmöglich macht. Eingefleischte Fantasyfans werden mit NEO nämlich wahrscheinlich nicht allzu warm werden.

 

Wer allerdings das „etwas Andere“ in einem JRPG sucht, ohne zeitgleich von komplexen Gameplaysystemen erschlagen zu werden, wird mit NEO: The World Ends With You wahrscheinlich genauso viel Spaß haben wie ich.

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