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[Test] Voice of Cards: The Isle Dragon Roars


Calvin Rimpel

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Pen & Paper und Kartenspiele. Eine zunächst ungewöhnlich anmutende Kombination, doch beides ist in den letzten Jahren geradezu in Popularität explodiert. Seien es die Jungs und Mädels von „Critical Role“, die insbesondere in der Anglosphäre Dungeons & Dragons raus aus dem Nerdstatus und direkt in die aktuelle Popkultur katapultierten oder Slay the Spire, welches mit dem Rogue-Like-Deckbuilder ein eigenständiges Subgenre etablierte – beides ist aus dem modernen Videospiel- und Fantasybereich kaum noch wegzudenken.

 

Nun versucht Square Enix mit Voice of Cards: The Isle Dragon Roars beides zu verbinden. Ob die außergewöhnliche Formel aufgeht?

 

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Voice of Cards beginnt, wie es nur wenig Rollenspiele tun: mit einer direkten Ansprache an den Spieler. Mit schwerer Stimme vermittelt uns der Game Master (GM), dass er uns in einer Welt von Schwertern & Magie entführen möchte und die folgenden Entscheidungen einzig und allein die unseren seien.

 

Wir erwachen in einem dunklen, feuchten Kellergewölbe, umgeben von Moos und Stein. Nur das Licht einer schummrig schimmernden Fackel scheint den Weg für unser Trio bestehend aus einer adeligen Priesterin, einem grobschlächtigen Krieger und dem obligatorischen graubärtigen Magier zu erleuchten. Es wird gehuscht, gerangelt und geschlichen und der Imagination wird freiem Lauf gelassen, schließlich erfahren wir die detaillierten Beschreibungen der Umgebung lediglich aus dem Mund des GMs.

 

Eine schwere Tür versperrt uns den Weg, wie sollen wir also vorgehen? Vorsichtiger, aber dadurch langsamer oder doch brachialer und dafür mit einem Überraschungsmoment? Nach einem kurzen Ruck steht die Entscheidung fest. Der muskelbepackte Hüne schultert seine zweihändige Axt und kracht mit Leichtigkeit durch die einst stabile Holztür.

 

Es folgt ein rascher Kampf, die Bergung eines königlichen Artefakts und die triviale Aufgabe der Rettung der gesamten Menschheit. Ein längst in einen tiefen Schlaf gefallener Drache, scheint nämlich erneut die Welt zu bedrohen und somit ruft die Königin jeden Abenteurer aus allen Ecken des Landes zusammen, um das blutrünstige Biest zu schlachten. Als junger Kopfgeldjäger stellt ihr eine mehr oder minder zusammengewürfelte Jagdgesellschaft auf die Beine, um euch dem Drachen zu stellen. Doch ist es wirklich nur ein Drache, welcher das Königreich in Angst und Schrecken versetzt oder steckt mehr dahinter? Euer GM wird es euch mit Sicherheit bald verraten…

 

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Und genau dieser GM ist es auch, der Voice of Cards‘ Geschichte trägt. Wie die obige Einleitung bereits vermuten lässt, wird der Handlungsstrang primär von dem GM präsentiert. Diesem kommt wie im Pen & Paper eine tragende Rolle zu, kreiert und beschreibt er schließlich die Orte, an denen sich die Gruppe austobt oder inszeniert Twists und Ereignisse, die uns das Leben schwerer machen. Darüber hinaus werden auch die Dialoge einzig vom GM gesprochen, was die narrative Präsentation von Voice of Cards besonders macht. Fast schon poetisch führt uns der alle Karten in der Hand haltende ominöse Spielleiter durch die klassische Fantasy Welt, was letztlich aber auch bitter nötig ist. Denn ohne ihn, würde Voice of Cards wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen, wirkt der eigentliche Kartenspielaspekt nämlich ultimativ als nicht viel mehr als Augenwischerei.

 

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Doch eins nach dem anderen. Sobald ihr die Spielwelt Voice of Cards erstmalig betretet, wird euch rasch auffallen, dass Umgebung, Bewegung und Interaktion auf einem sichtbaren Tisch voller auf- sowie zugedeckter Karten stattfindet. Ihr marschiert von Fleck zu Fleck und deckt hierbei neue Karten in der Nähe auf, die beispielsweise eine Graslandschaft, einen NPC oder eine Truhe offenbaren. Stellt ihr die schachähnliche Spielfigur auf diese Fläche, wird euch oftmals eine Entscheidung angeboten oder etwas Neues über die Spielwelt verraten. Auch Shops gibt es, in denen beispielsweise Kleidung, Waffen, Tränke und allerhand nützliches erstanden werden kann, das euch in den Zufallskämpfen hilfreich unter die Arme greift.

 

Einmal im Kampf angekommen, wechselt das Spiel von der Oberweltperspektive hin zu einem 3 versus 3 Schlachtfeld, in welchem sowohl Gegner als auch Gruppenmitglieder, erneut repräsentiert via Karten, gegenübergestellte Positionen einnehmen.

 

Es kann geheilt, gezaubert oder geflohen werden. Das eigentliche Kampfgeschehen läuft dabei in klassischer Rundenmanier ab. Der Manapool ist allerdings nicht individuell, sondern von der gesamten Gruppe verwendbar und dessen Regeneration lässt sich unter anderem mithilfe von Fähigkeiten beschleunigen. Jede Figur verfügt darüber hinaus über spezifische Angriffs- und Verteidigungswerte, welche im Zusammenspiel mit Zaubern und Attacken spezifische Effekte auslösen. Manchmal dürft ihr sogar ein altes paar Würfel rollen und das letzte Quäntchen Schaden herauskitzeln.

 

Soweit so normal, doch genau in diesem „normal“ liegt das Problem begraben. Zwar folgen Rollenspiele dieser Formel bereits seit Jahrzehnten erfolgreich und in vielerlei Hinsicht ist Voice of Cards ein Rückgriff auf ältere Tage der japanischen Rollenspielkunst, allerdings ist die Kartenmechanik bei näherer Betrachtung nicht viel mehr als ein Gimmick.

 

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Vor allem in den Kämpfen springt sofort ins Auge, dass die Karten letztlich nur ein glorifiziertes Menü darstellen. Das, was ältere Final Fantasys über ein schlichtes, blaues Menü lösten, sei es das Heraufbeschwören eines Zaubers oder eine simple Attacke, wickelt Voice of Cards ebenfalls über ein Menü ab, nur dass jenes Menü eben durch attraktive Illustrationen in Szene gesetzt wird.

 

Hierdurch hat Square Enix eine potenziell höchst ansprechende Gameplay- und Storymischung tragischerweise nicht einmal ansatzweise ausgenutzt, was unfassbar schade ist, fokussieren andere Spiele wie das bereits angesprochene Slay the Spire doch den klassischen Rogue-Like-Gameplayloop. Klassische japanische Erzählkunst mit Kartenspielelementen und der richtigen Dosis Rollenspiel wären also eine willkommene Abwechslung und ein Alleinstellungsmerkmal von Voice of Cards gewesen.

 

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Auch wenn Voice of Cards spielerisch also sein Potenzial nicht ausschöpft, brilliert es in puncto audiovisuellem Design aber allemal. Die individuellen Kartendesigns für Spieler, Feinde sowie Umgebung sind clever wie detailreich und auch das Spielbrett fühlt sich mit seinem urig flimmernden Kerzenschein wie eine rustikale Gaststätte an.

 Gepaart mit der von Lauten und Streichern durchzogenen Musik und den kernig knackigen Soundeffekten transportieren die Klänge das Gefühl eines unterhaltsamen Trinkgelages inklusive anschließender Schlägerei ins heimische Wohnzimmer. Lediglich an der Menge an Songs hapert es etwas. Auch der Sprecher, sowohl in der englischen als auch japanischen Fassung meistert seine Aufgabe mit Bravur und trägt die zu teilen etwas zähe Story eigenhändig auf seinen Schultern.

 

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Fazit

Voice of Cards: The Isle Dragon Roars lässt mich mit gemischten Gefühlen zurück. Auf der einen Seite stimmt es mich traurig, dass Square Enix aus diesem wahnsinnig interessanten Konzept nicht mehr herausgeholt hat. Auf der anderen Seite kann ich allerdings auch keineswegs sagen, dass die spielerischen Elemente mit grundlegenden Fehlern behaftet sind. Sie sind simpel, altbewährt und funktionieren, doch ich hatte mir mehr erhofft.

 

Dennoch möchte ich Voice of Cards: The Isle Dragon Roars eine Kaufempfehlung aussprechen, da insbesondere die spannend unverbrauchte Inszenierung der Geschichte mithilfe eines Game Masters durchaus Erinnerungen an meine Dungeons & Dragons, Call of Cthulu und Shadowrun Zeit heraufbeschwört und mir regelmäßig ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, vorzugsweise, wenn der GM mich erneut rücklings in die nächste Falle tappen lässt.

 

Sollte Voice of Cards: The Isle Dragon Roars jemals einen Nachfolger erhalten, bin ich der Erste, der gerne erneut in der gemütlichen Taverne einkehrt, um eine weitere abenteuerliche Geschichte aus der Feder meines mysteriösen Game Masters zu erhaschen.

 

 

 

Aufgrund von Datenbankproblem kein Testkasten.

 

Positiv

-          Ansprechende visuelle Präsentation

-          Charmante Pen & Paper Atmosphäre

-          Erstklassiger Soundtrack…

 

Negativ

-          Konzept ausbaufähig

-          Häufigkeit der Zufallskämpfe

-          …der mehr Songs vertragen könnte

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